Peczenik, Anna geb. Gadol - Österreich

            Peczenik, Anna

Anna Peczenik wurde am 9. Februar 1911 in Sofia (Bulgarien) in der Familie von Arnold und Eugenie Gadol geboren. Zur Familie gehörte ihr jüngerer Bruder Harri. Die Familie übersiedelte nach Wien, wo Anna die Volksschule und sechs Klassen Realgymnasium besuchte. Danach machte sie eine Ausbildung zur Montessori-Kindergärtnerin.
Anni war sehr früh bereits politisch aktiv. 1926, fünfzehn-jährig, trat sie dem Verband sozialistischer Mittelschüler bei, war Vorsitzende einer Bezirksorganisation der Sozialistischen Arbeiterjugend und von 1929 bis 1931 Mitglied der SDAP. Nachdem ihrem Vater ein Abteilungsleiterposten in einer Trikotagenfabrik in Belgrad angeboten worden war, folgte ihm Anni 1928 dorthin und arbeitete als deutschsprachige Korrespondentin.
Mitte 1930 kehrte Anna Gadol allein nach Wien zurück und arbeitete als Kindergärtnerin und Stenotypistin. In Wien lernte sie Hermann Peczenik (geboren 27.01.1901 in Comiakowka bei Tarnopol) kennen. Er arbeitete als Journalist und Verlagsangestellter; in den 30-er Jahren vor allem für kommunistische Zeitungen und Zeitschriften.
Ende 1931 traten Anni und Hermann Peczenik in die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) ein. Am 11. Oktober 1931 heirateten die beiden. Ihre Wohnung wurde zum Treffpunkt linker und künstlerisch interessierter Zeitgenossen. Beide übernahmen schrittweise verschiedene Funktionen in der Partei. Anna war in ihrer Grundorganisation verantwortlich für Agitation und Propaganda, hielt Verbindung zu anderen Bezirken und nahm als Delegierte an der Wiener Regionalkonferenz der Partei teil.
Nach dem Verbot der KPÖ wurde Hermann wegen der Herstellung von Flugblättern im Mai 1933 das erste Mal verhaftet, nach einigen Tagen zwar wieder freigelassen, allerdings wurde gegen ihn als polnischen Staatsbürger ein „Abschaffungsverfahren“ aus Österreich eingeleitet und der Pass wurde ihm abgenommen.
Am 18. November 1933 wurde ihre Tochter Hanja geboren. Hermann war offiziell aus Österreich „abgeschafft“ worden, lebte aber weiterhin illegal - von Frau und Kind getrennt - in Wien und war weiterhin für die verbotene KPÖ tätig. In der Wohnung Anna Peczeniks fand am 21. April 1934 eine Hausdurchsuchung statt, bei der „verschiedenes kommunistische Schriftenmaterial gefunden“ wurde. Sie wurde festgenommen und erhielt sechs Wochen Arrest, während der sich eine Schwester Hermanns um Hanja kümmerte. Hanja wurde schließlich zu den Großeltern nach Belgrad gebracht.
Hermann und Anna Peczenik gingen nach Prag, wohin die Führung der KPÖ mit ihrem Vorsitzenden Johann Koplenig emigriert war. Während Hermann für die Partei arbeitete, illegal nach Wien zurückkehrte, dort verhaftet und zu einer dreijährigen Zuchthaustrafe verurteilt wurde, arbeitete Anna als Stenotypistin der Roten Hilfe.
Im August 1936 wurde Hermann in die Tschechoslowakei abgeschoben, wo er wieder verantwortlich für Agitation und Propaganda der KPÖ war.
Im Januar 1937 verließen beide Prag und gelangten über Paris nach Spanien, um sich den „Voluntarios de la Libertad“ (Freiwillige der Freiheit) den Internationalen Brigaden anzuschließen. Während Hermann sich bereits ab Januar 1937 in die Brigaden eingereiht hatte, blieb Anna noch drei Monate in Paris um einen Kurs zur Ausbildung als Kranken-schwester zu absolvieren.
Mit dem Schiff gelangte Anna von Frankreich nach Spanien, wo sie am 12. April 1937 in den Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden eintrat. Sie wurde zuerst als Pflegerin in einem Spital in Murcia und ab Oktober 1937 in einem Frontspital der 35. Division, nicht nur als Pflegerin, sondern auch als Mitarbeiterin des Politkommissars eingesetzt.
Nach dem Rückzug der Internationalen Brigaden von der Front im September 1938 ging Anna Peczenik nach Frankreich. In Toulouse sorgte sie gemeinsam mit anderen Frauen für die Beschaffung von Quartieren für jene Kameradinnen und Kameraden, die den Internierungslagern entkommen konnten bzw. aus Paris in den von den Deutschen noch unbesetzten Süden Frankreichs kamen. Es fanden auch regelmäßige Schulungen, in denen über die aktuelle Lage diskutiert wurde, statt.
Mit der sich Ende 1942 abzeichnenden Niederlage der Deutschen Armee bei Stalingrad gab es die Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende sei. Die KPÖ-Leitung gelangte zu der Auffassung, dass es notwendig sei, den Schwerpunkt der politischen Tätigkeit in die Heimat zu verlagern. Als französische Fremdarbeiterinnen getarnt und mit falschen Personalpapieren ausgestattet wurden ungefähr 40 bis dahin in Frankreich im Widerstand aktive Genossinnen nach Österreich eingeschleust, unter ihnen auch zahlreiche ehemalige Spanienfreiwillige, wie Anna Peczenik. Sie sollten die von der Gestapo weitgehend zerschlagenen Parteistrukturen wieder aufbauen und in Betrieben Kontakte knüpfen, um Widerstandsnetze aufzubauen bzw. zu reaktivieren.
Anna Peczenik arbeitete unter falschem Namen im Henkel-Flugzeugwerk in Fischamend oder in den Junkers-Werken (hier sind die Quellen nicht eindeutig). Sie half beim Aufbau einer neuen illegalen Wiener Parteileitung mit und war Mitglied der Bezirksleitung Floridsdorf. Die Gestapo bemerkte bald „neue kommunistische Flugschriften…die auf den Neuaufbau eines zentralen kommunistischen Parteiapparates schließen ließen.“ … Sie vermutete einen „noch nicht näher bekannten Funktionär(s) der illegalen KPF in Paris“ dahinter und schickte 1943 eine eigene Gruppe nach Paris, um die Querverbindungen des österreichischen und des französischen Widerstandes aufzudecken. Im Juli/August 1944 wurde Anna Peczenik verhaftet und in das Gefängnis Fresnes, in dem die Gestapo politische Gefangene verhörte und folterte, gebracht. Von dort ging sie Ende August mit dem letzten Transport vor der Befreiung nach Ravensbrück.
Aus dem Lager Ravensbrück wurde Anna Peczenik vermutlich im November 1944 mit einem Transport nach Magdeburg zur Munitionsfabrik Polte, wo sich ein Nebenlager des KZ Buchenwald befand, gebracht. Manchmal halfen solche Transporte, den weiteren Zugriff der Gestapo auf gefährdete Häftlinge zu verhindern und so ihr Leben zu retten. Mehrere Leidensgefährtinnen aus dieser Zeit erinnerten sich an die Willensstärke und politische Unbeirrbarkeit von Anna. In der Munitionsfabrik hatte Anna sofort Verbindungen zu den französischen Kriegsgefangenen aufgenommen. Sie war bemüht, uns Mut und Zuversicht zu geben…Ich werde nie vergessen, wenn die ganze Lagerstraße leer war, und nur allein Anni Peczenik stand Strafe.“ (Bericht von Christine Wagner, geb. Berger, die 1944 im Zusammenhang mit der Partisanengruppe Leoben-Donawitz von der Gestapo verhaftet und im KZ Ravensbrück inhaftiert wurde.)
Nach bisherigen Quellen wurde Anna Peczenik am 18. Dezember 1944 aus dem Lager in Magdeburg nach Buchenwald gebracht und dort ermordet.

Quelle: http://www.doew.at/erinnern/biographien/spanienarchiv-online
http://sidbrint.ub.edu/en/node/15996
Moskauer Archiv RGASPI. F. 545. Op. 6. D. 48, RGASPI. F. 545. Op. 6. D.669
Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege und Foto
(Alle Inhalte dieses Textes über Anna Peczenik entstammen dem Buch „80 Jahre Internationale Brigaden, 1936 – 2016. Neue Forschungen über österreichische Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg“, S. 43 – 63: Irene Filip, „Anna Peczenik. Biographische Skizze einer Spanienfreiwilligen und Widerstandskämpferin“. ISBN 978-3-901142-67-3. Irene Filip ist Leiterin des Spanienarchivs im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes)