Gunzig, Ruchla geb. Eksztejn, Ruchla (Rachel), geschiedene Reich, Ruchla - Polen
Rachel wurde am
15.09.1910 in Pultusk, Polen geboren. Hier besuchte sie die
Grundschule und das Gymnasium. Die Familie zog 1927 nach Belgien.
Ruchla trat einer linken zionistischen Organisation in Polen, dem
Hashomer Hatzair, bei. In Antwerpen hatte sie Kontakt zu der
Organisation gesucht und gefunden. Hier lernte sie auch ihren
zukünftigen tschechischen Ehemann Jacques Gunzig kennen und fand viele
Freunde.
1928 oder 1929 ging sie nach Palästina, um in einem Kibbuz zu leben.
Um die Einreiseerlaubnis für Palästina zu erhalten, heiratete sie
Eliezer Reich. Eliezer Reich war älter war als Ruchla. In Antwerpen
hatte sie Jiddisch gelernt und begann gleichzeitig Hebräisch zu
lernen.
1932 kehrte sie enttäuscht von der zionistischen Erfahrung nach
Belgien zurück. Ihr Ehemann blieb jedoch in Palästina.
Sie wurde 1933 aktives Mitglied der Kommunistischen Partei Belgiens.
Ruchla schrieb sich an der Université du Travail in Charleroi ein, um
Apothekerin zu werden. Ihr polnisches Bachelor-Zertifikat
qualifizierte sie für die Zulassung ohne Aufnahmeprüfung. Sie musste
nur eine Französischprüfung ablegen.
Auch Jacques Gunzig kehrte aus Israel zurück. Ruchla zog zu Jacques.
Da Ruchla noch mit Eliezer Reich verheiratet war, konnten sie nicht
heiraten.
Ruchla und Jaques lebten in Brüssel als sie das Apothekerpraktikum in
Antwerpen absolvierte. Dieses Praktikum war eine Voraussetzung für ihr
Diplom.
Jaques war Mitglied des MOI (Movement Ouvrier International) und wurde
damit beauftragt, Freiwilligen, die den Internationalen Brigaden in
Spanien beitreten wollten, auf dem Weg nach Spanien von Belgien nach
Frankreich zu helfen. Jaques führte die Freiwilligen auf Nebenstraßen
nach Frankreich, um zu vermeiden, dass sie in die Hände der belgischen
Polizei fallen.
Da Jaques jedoch sehr oft die belgische Grenze nach Frankreich
überquerte, wurde die Grenzpolizei misstrauisch und Jaques spürte,
dass er verfolgt wurde.
Eines Tages kamen Polizisten in ihre Wohnung und durchsuchten diese.
Die Polizei teilte Ruchla mit, dass sich Jaques auf der Polizeiwache
melden soll und gingen.
Ruchla und Jaques beschlossen, dass auch sie sich jetzt auf den Weg
nach Spanien machen sollten. Sie überquerten die Grenze von Frankreich
nach Spanien und kamen in Port Bou an. Von hier aus fuhren sie mit dem
Zug nach Barcelona und weiter nach Albacete.
Jaques besuchte die Offiziersschule in Pozo Rubio und von dort ging er
an die Front.
Ruchla begann in Albacete in der Apotheke zu arbeiten. Sie wurde als
Assistentin des Apothekers eingesetzt. Später wurde sie mit der
Leitung der Apotheke beauftragt. Am 15. Mai 1937 wurde sie zum
Leutnant der Sanität ernannt. Bis Februar 1938 verwaltete sie die
Zentralapotheke des Servicio Sanitario in Albacete und wurde dann nach
Barcelona geschickt. Im April 1938 arbeitete sie in der Apotheke des
Hospitals in Mataró. 1938 wurde Rachel Mitglied der Kommunistischen
Partei Spanien. Im Juli 1938 wurde in Mataró ihr Sohn Edgard Aragon
geboren.
Vor ihrer Abreise nach Spanien hatte sie ihren Mann, der in Palästina
geblieben war, gebeten, das Scheidungsverfahren einzuleiten. So
erhielt auf dem Postweg die notwendigen Scheidungsunterlagen.
Mit diesen Papieren konnte sie im Juni 1938 Jaques heiraten.
Nach Ende des Krieges überquerten sie mit anderen Flüchtlingen die
Grenze nach Frankreich. In Frankreich wurde sie interniert. Im Lager
waren spanische Frauen mit ihren Kindern, ältere Menschen beiderlei
Geschlechts und einige Frauen aus den Internationalen Brigaden auch
mit Säuglingen, aber keine Männer. Ihr Mann kam in das
Internierungslager St. Cyprien.
Nach dem Verlassen des Internierungslagers lebten Ruchla und Jaques
bei Freunden in Paris. Die Familie wollte wieder zurück nach Belgien.
Da Ruchla keine Ausweispapiere hatte, war es wichtig, dass sie sich
und Edgard in den Pass von Jaques eintragen ließen. Jaques war bereits
im Besitz eines Visums. Sie gingen zur tschechischen Botschaft. Der
tschechische Beamte hat beide in Jaques Pass eingetragen. Nun konnten
sie nach Belgien zurückkehren.
Ruchla lebte bei ihren Eltern in Charleroi und Jaques blieb in
Antwerpen, um Arbeit zu finden und eine Wohnung zu suchen, weil sie
nicht mehr getrennt leben wollten.
Als die deutsche faschistische Wehrmacht Belgien besetzte, wollte die
Familie nach England fliehen. Dies gelang ihnen nicht. Sie strandeten
in De Panne. Schließlich kehrten sie nach Antwerpen zurück. Sie
hatten beschlossen, den jüdischen Stern nicht zu tragen. Damit auch
das „J“ nicht in ihren Ausweis gestempelt wurde, baten sie die Person
im Gemeindebüro, die in den Ausweise das „J“ stempeln sollte, das zu
unterlassen. Und so bekamen sie kein „J“ in ihren Ausweis.
Beide schlossen sich der Widerstandsbewegung an. Jaques wurde wegen
politischer Aktivitäten 1942 verhaftet. Ruchla konnte entkommen, da
ihre Vermieterin sie warnte: "Madame, geh nicht in die Wohnung. Die
Deutschen waren hier und haben deine Wohnung durchsucht. Als sie
nach dir fragten, sagte ich ihnen, dass ich dachte, Madame sei ins
Ausland gegangen."
Ruchla brachte ihre Familie (ihren Sohn, ihre Neffen, die Eltern) in
Sicherheit.
Nach dem Krieg hat sie aus dem Hauptbuch, das sich in Washington im
Archiv der Vereinigten Staaten unter den deutsch erfassten Dokumenten
des Zweiten Weltkriegs unter der Überschrift Mauthausen Totenbuch,
befand, erfahren, dass ihr Mann bei einem Fluchtversuch am 28. Juli
1942 erschossen wurde. Ihr Sohn Edgard hat später erfahren, dass
Jaques im Lager auf ehemalige Kameraden (nicht nur Belgier, sondern
auch Deutsche und Spanier) gestoßen war und dass sie Zellen und
Treffen im Lager organisiert haben.
Nach der Befreiung wurde sie eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau, gab
aber ihre politischen Ideen nie auf.
1952 beschloss Ruchla nach Polen zurückzukehren. Sie verbrachte vier
Jahre in Polen, darunter einen Aufenthalt in Vietnam. Sie war
Mitglied der Beobachtergruppe der Vereinten Nationen, die den
französischen Rückzug aus Indochina überwachte.
Ende 1956 ging sie mit ihrem Sohn zurück nach Belgien.
Gusti Jirku berichtet in „Kampf dem Tod“: „Rachel, die Apothekerin,
sollte eines Tages ein Auto-Chir (ein mit chirurgischen Instrumenten
und Sterilisierungsapparate ausgestattetes Lastauto, das den mobilen
Hospitälern folgt) ausrüsten. Die Sendung wird mit Ungeduld an der
Front erwartet – aber es fehlt diesmal an den notwendigsten Dingen,
vor allem an modernen chirurgischen Instrumenten, an denen immer
wieder Mangel herrscht.
Rachel und das ganze Personal der Apotheke sind in trüber Stimmung –
es ist acht Uhr morgens und um zwölf Uhr spätestens muss die Sendung
abgehen. Da – wie im Märchen – hält plötzlich ein Camion vor dem Tor
mit einer reichen Sendung aus Frankreich, die auch chirurgische,
enthält! – Während des Auspackens erzählt Rachel „war unsere Freude
und Erregung so groß, dass wir plötzlich wie aus einem Munde riefen
„Viva la France!“
Wir sind nicht allein. Die besten Geister und ehrlichsten Herzen
unserer Zeit sind mit uns. Täglich bringen Züge und Schiffe reiche
Sendungen für unsere verwundeten Kameraden, täglich fühlen wir alle,
dass die stetig wachsende Kameradschaft aller antifaschistischen
Kämpfer in allen Ländern der Welt mächtige Stützpunkte geschaffen
hat. Mit uns sind die Massen der Werktätigen der Erde, mit uns alle,
die der geistigen Befreiung der Menschheit dienen wollen, alle die
gegen den Krieg und für eine glückliche Zukunft unserer Kinder
kämpfen.“
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