Baš, Ana-Marija geb. Révesz - Ungarn/Jugoslawien

            Baš, Ana-Marija
Sie wurde am 16. Juni 1893 in Felsöszentiván bei Baja (Ungarn) in einer ungarischen bürgerlichen Familie jüdischer Herkunft geboren und verbrachte ihre Kindheit in Bajmok bei Subotica (Provinz Vojvodina in der heutigen Republik Serbien, damals unter österreichisch-ungarischer Monarchie). Sie besuchte das Gymnasium in Budapest, wo sie bei ihrem Onkel, einem progressiven Anwalt, lebte. Sie besuchte eine Handelsschule und fühlte sich von der Frauenbewegung angezogen. Sie kam in Kontakt mit der Schwester von Lajoš Cséby , der später das Bataillon Rákosi der XIII. Internationalen Brigade (IB) in Spanien befehligte und von 1957 bis 1961 ungarischer Botschafter in Belgrad war. So lernte sie ihren zukünftigen Ehemann André Baš kennen, der in einer recht wohlhabenden jüdischen Familie in Čantavir bei Subotica geboren wurde, Vermessungsingenieur war, von 1914 bis 1917 in der österreichisch-ungarischen Armee mobilisiert wurde, an der italienischen Front in Gefangenschaft geriet und über ein Jahr lang in Kriegsgefangenschaft war. Nach seiner Demobilisierung im Rang eines Leutnants kehrte André  1920 in die inzwischen jugoslawische Stadt Subotica zurück, wo er als Vermessungsingenieur für die Stadtverwaltung und später selbstständig arbeitete. Aus ihrer Verbindung wurde 1916 in Wien der einzige Sohn Janoš geboren.
André und Ana-Marija gehörten der Kommunistischen Partei Jugoslawiens an. Ana-Marija war in einem Kindergarten angestellt und gründete einen Verein zur sozialen und erzieherischen Unterstützung von Arbeitern. Sie wurde 1928 verhaftet, als die Polizei bei ihr eine gesuchte kommunistische Aktivistin entdeckte. Sie wurde entlassen. Ana-Marija nahm 1929 am Kongress für Selbsthilfepolitik in Berlin teil. Die antikommunistische Repression wurde nach der Ausrufung der Diktatur durch König Alexander I. am 6. Januar1929 immer härter.  André und Ana-Marija beschlossen 1930, nach Belgien auszuwandern.
In Brüssel wurde Ana-Marija Krankenschwester in einem städtischen Krankenhaus, trat 1935 der CGT bei und wurde mehrmals wegen ihrer politischen Aktivitäten verhaftet. André übernahm die Leitung der jugoslawischen Sektion der Kommunistischen Partei Belgiens (KPB), da es damals in Belgien viele jugoslawische Wirtschafts- und politische Einwanderer gab, insbesondere in den Bergwerken in Wallonien und Limburg. Ihr Sohn Janoš absolvierte von 1932 bis 1935 eine Lehre als Elektromechaniker und trat der sozialistischen Metallarbeitergewerkschaft und den Kommunistischen Jugendverband JC bei. Alle drei waren stark in die antifaschistische Volksfront involviert und gehörten zu den ersten Freiwilligen, die im Oktober 1936 aus Belgien ausreisten, um die Spanische Republik zu verteidigen und sich den damals entstehenden Internationalen Brigaden anzuschließen. Ana-Marijas Schwester Jószefné Révész ging ebenfalls nach Spanien und arbeitete dort als Krankenschwester Hospital in Onteniente war.
Nachdem sie am 27. Oktober 1936 in Spanien angekommen waren, wurde die Familie getrennt. André wurde bereits im November 1936 zum Leutnant befördert, befehligte bis April 1937 eine Kaserne der Internationalen Brigaden in Albacete, unterrichtete Topografie an der Offiziersschule in Pozo Rubio und wurde im Mai 1937 Ausbilder im Artillerie-Ausbildungszentrum in Almansa und von Oktober 1937 bis zur Demobilisierung in der 2. schweren Artilleriegruppe Etienne. Janoš war zunächst Soldat im Bataillon Edgar André der XI. Internationalen Brigade an der Madrider Front und anschließend Feldwebel in der Artilleriegruppe Anna Pauker innerhalb der 35. Division. Ana-Marija wurde als Krankenschwester im Gesundheitsdienst in Valencia eingesetzt und arbeitete dann acht Monate lang im Feldlazarett der 15. Division, dessen Gesundheitsdienst von ihrem Landsmann Imre Beer geleitet wurde, der Chirurg geworden war und bei Operationen unter feindlichem Feuer schwer verwundet wurde.

Gusti Jirku: „Anne-Marija nannten alle Verwundeten „Mutter“. Sie ist Operationsschwester und hatte dicht hinter der Front, in schwer bombardierten Orten, seit acht Monaten ihre Arbeit getan. Ana-Marija hat weiße Haare, aber die Kraft und Zähigkeit eines jungen Menschen. Täglich sieht sieVerstümmelungen und Tod und hört alle Laute menschlicher Qual. Der Wille zu helfen machte sie stark. Anne-Marijas Mann und ihr achtzehnjähriger Sohn sind an der Front. Einmal, nach sieben Monaten, kam ihr Sohn zu ihr ins Hospital. Er hatte Urlaub bekommen, um die Mutter zu sehen. Ein einziger Tag, ein glücklicher, zu kurzer. Mutter hat mir das Herz nicht schwergemacht, sagte der Junge, als er wieder an der Front war. Ich bin stolz auf sie. Sie ist unsere Kameradin!“

Nach der Retirada wurden sie in Lagern in Frankreich interniert, konnten dann aber nach Brüssel zurückkehren, wo sie sich der Résistance anschlossen. Ana-Marija und André wurden am 27. April 1944 verhaftet und in Saint-Gilles inhaftiert. Ana-Marija wurden nach Deutschland deportiert, André sein Leben verlor. In Ravensbrück wurde sie einen Monat lang in Block 13 unter Quarantäne gestellt und am 19. Juli 1944 nach Neubrandenburg verlegt. Da sie gut Deutsch sprach, konnte sie in einem Büro arbeiten, arbeitete dann aber wegen einer Avitaminose in der Schneiderei.
Die Häftlinge wurden am 27. April auf den Todesmarsch getrieben. Durch den Vormarsch der britischen Truppen erlangte Ana-Marija am 1. Mai 1945 ihre Freiheit und konnte am 25. Mai nach Belgien zurückkehren.
Mit ihrem Sohn kehrte sie 1949 nach Budapest zurück, wo sie an einer Krankenpflegeschule unterrichtete. Bei einer Zeremonie zu Ehren der Freiwilligen der XIII. Internationalen Brigade wurde sie 1968 in Warschau ausgezeichnet.
Sie war von 1957 bis 1979 Mitglied des Internationalen Roten Kreuzes IRK. Ana-Marija Baš starb am 25.07.1979 in Budapest.

„Leutnant Hans, ein Freiwilliger in der spanischen Volksarmee, erzählt: «Bei Jarama, nach einem der schweren Kämpf, wurden Ambulanzen mit Verwundeten von der Front gebracht. Als man sie aus den Ambulanzen hob, sah ich, es dämmerte schon, einen kleinen weißhaarigen Mann im Overall vor mir stehen. Er wandte mir den Rücken zu, vorgebeugt, mit brennender Anteilnahme, blickte er jedem Verwundeten ins Gesicht, prüfte die Verbände. Sucht der kleine Mann mit den weißen Haaren einen Freund, einen Sohn? Er wandte sich, blickte mich an. Es war eine Frau mit weißen Haaren und einem schönen, noch jungen Gesicht. Ihre Augen standen voll Tränen. Es war die Pflegerin Anne-Marie (Baš).
Anne-Marie, eine Ungarin, in Jugoslawien lebend, Mutter eines 21jährigen Sohnes, der an der Front kämpft, Mutter aller Verwundeten, denen ihre nie erlahmende Kraft, ihr großes Können und ihr tapferes Herz gehören, hat ein Jahr lang mitten in Gefahr und Tod gearbeitet und arbeitet weiter. Ich habe sie nie anders als heiter am Bett der Verwundeten gesehen, mit zuversichtlichem Lächeln, das allen Trost bringt. Ich habe sie oft, in einem dunkeln Winkel weinen gesehen, wenn menschliche Hilfe versagte.

Am 30. Oktober 1936 (1937), als in Valencia die Nationalkonferenz aller antifaschistischen Frauen Spaniens tagte, war Anne-Marie die Sprecherin der Frauen-Delegation des Internationalen Sanitätsdienstes. Seit langem war es ihr Wunsch gewesen, die Pasionaria zu sehn. Als Anne-Marie gesprochen hatte, schloss die Pasionaria sie in die Arme und küsste sie. Und an diesem Tage war es schwer mit der besonnenen Anne-Marie ein vernünftiges Wort zu reden - der „kleine weißhaarige Mann“ war nichts anderes als ein glückseliges Kind.“Ana-Marija Baš Rede auf der Konferenz der Antifaschistischen Frauen Spaniens:
„Im Namen der Frauen des Internationalen Sanitätsdienstes begrüße ich Euch aus ganzem Herzen. Salud!
Wir sind aus aller Welt gekommen, um zusammen mit unseren spanischen Schwestern zu kämpfen, die in kurzer Zeit das Vorbild aller antifaschistischen Frauen der Welt geworden sind. Sie haben ein leuchtendes Vorbild: Unsere Pasionaria!
Gestattet, Kameradinnen, dass ich Euch unsere Delegation vorstelle: Hier ist Gusti Jirku, die Führerin unserer Delegation. Sie ist seit einem Jahr in Spanien. Zuerst arbeitete sie als Operationsschwester, jetzt leitet sie die Redaktion unseres Sanitätsdienstes. Hier ist Mimi (wahrscheinlich Marie Langer), eine österreichische Ärztin, die an der Jarama-Front gearbeitet hat und jetzt in Murcia im chirurgischen Hospital tätig ist. Jeanne, eine Französin, die mit ehrlicher Begeisterung ihre Verwundeten betreut. Hier Milica, von weither, aus Jugoslawien genommen, um unsere verwundeten Kämpfer zu pflegen. Hier die Operationsschwester May (May Macfarlane), aus dem fernen Australien, die an allen Fronten gearbeitet hat.—Hier Steffi (Steffi Wenzel), die mit der tschechischen Equipe kam, die uns Ambulanzen, Instrumente, Medikamente brachte. Hier Evelyn (Evelyn Hutchins), aus New, York, unsere mutige Chauffeurin. Sie kommt mit ihrem Kamion zu uns an die Front, um uns Lebensmittel zu bringen. Und wenn wir ihr sagen: „Willst Du Kaffee trinken“, dann antwortet sie: „Keine Zeit, das andere Hospital wartet schon!“. Hier sind Hilda (Hilda Roberts) und Edith (könnte May Edythe Dyer gemeint sein), Pflegerinnen aus Amerika, das uns Schätze an Ambulanzen und Instrumenten schickt.
Nicht alle unsere Nationalitäten sind heute hier vertreten. Arbeit und Transportschwierigkeiten verhinderten einige am Kommen. Wir haben ausgezeichnete holländische, deutsche, englische, polnische, belgische Pflegerinnen. Sie alle arbeiten unter der Losung, die ihr auf unserer Fahne seht: „Jeder Verwundete den wir heilen, ist eine Bürgschaft mehr für unseren Sieg!“
Wir alle wissen, dass sich in Spanien das Schicksal aller Frauen Europas entscheidet. Ich bin keine Rednerin. Kameradinnen, aber ich bin glücklich unter Euch zu sein und Euch zu erzählen, was ich in diesem Kriegsjahr gesehen und getan habe.
Ich habe gleich nach meiner Ankunft in Spanien mit der Arbeit in den Front—Hospitälern begonnen. Ich war bei der heldenhaften XI. Brigade, die an der Seite ihrer spanischen Kameraden kämpfend, Franco den Weg nach Madrid versperrte.
Ich sah damals, dass es hier nicht an Heldentum fehlte, wohl aber an anderem, das zu einem raschen Sieg nötig war: an allen jenen Dingen, die uns die sogenannten demokratischen Länder im Namen der „Nicht—Einmischung“ nicht gesandt haben. Unserem Sanitätsdienst gebrach es an vielen notwendigen Dingen und wir hatten harte Zeiten.
Dann aber begann das Wirken der internationalen Solidarität, auch der antifaschistischen Frauen aller Länder und wir bekamen Hilfe.
Das Leben der Pflegerin an der Front ist kein leichtes. Die faschistischen Flieger suchen gerne die Verwundeten und die Hospitäler auf. Ich habe furchtbare Dinge gesehen: in Fuencarral und Morata verfolgten die faschistischen Avions unsere Ambulanzen, in Colmenar und Tarancon bombardierten sie am hellen Tag unsere Hospitäler. Ich habe Kinder in ihrem Blut gesehen und Mütter, die ihre Kinder suchten und sie tot oder verstümmelt auf den Tragbahren wiederfanden. Wäre ich nicht früher schon Antifaschistin gewesen, damals hätte ich es werden müssen!
Aber die Faschisten haben auch für ihre eigenen Verwundeten kein Herz. Nach unserer Einnahme von Belchite fanden wir faschistische Verwundete in einem schmutzigen Hospital, mit infizierten, gangränösen Wunden, völlig vernachlässigt.
Ich habe unsere Ärzte bei ununterbrochener vierzigstündiger Arbeit gesehen. Viele haben ihr Leben an der Front gelassen. Und die Ambulanzchauffeure, die rastlos von der Front zum Hospital und wieder zurückfahren und weder schlafen noch essen wollen, weil die Verwundeten auf sie warten! Hebt eure Faust, Kameradinnen, wenn ihr die Chauffeure unserer Ambulanzen seht, denn sie verdienen Euren Gruß!
Oft wurde ich gefragt: Hast Du auch schön Erinnerungen von deiner Arbeit? Oh doch. In Tarancon war ein junger Spanier, schwerverwundet. Er war wie unser Sohn und nannte uns Pflegerinnen „Mütter“. Als seine Eltern ihn abholten, sagte er zu mir: «Anne-Marie, ich liebe Dich wie meine Mutter!“
Wenn Ihr mich fragt, woher wir die Kraft nehmen, um die vielen Leiden mitanzusehen, dann antworte ich Euch:
Erstens weil wir Antifaschistinnen sind und wohl wissen, dass ein Sieg der Faschisten das Ende von allem guten in der Welt bedeuten würde.
Zweitens, weil uns das Beispiel unserer Verwundeten Kraft gibt. Denn sie sind nicht nur im Feuer tapfer, sie sind es auch im Krankenbett und am Operationstisch. Sie fragen schon kurze Zeit nach der Operation: „Wann glaubst Du, werden wir wieder an die Front können?“ Und dass sie uns „Mutter“ nennen, gibt uns Kraft, denn eine Mutter darf nie versagen. Oft frage ich mich und auch jetzt Euch, Kameradinnen: Verdienen wir es auch wirklich. Mütter genannt zu werden?
(Der ganze Saal antwortet begeistert: Si!, Si!)
Ja, wir verdienen es, wenn wir zusammen für ein neues Leben, für unsere Kinder kämpfen, gegen den Faschismus, für ein freies, demokratisches Spanien, für den Frieden der Welt!
Es lebe die glorreiche republikanische Armee! Es lebe die Volks-Front! Es leben unsere spanischen Schwestern!


Quellen; Arno Lustiger „Schalom Libertad!“ Verlag Büchergilde Gutenberg 1989;
Čedo Kapor: Za mir i progres u svijetu - Svjetlost štampa Verlag Sarajevo, 1999;
Jews in The Spanish Civil War - Marxists Internet Archive;
Kampf dem Tod von Gusti Jirku S.57/58 und Foto
Les femmes de Yougoslavie volontaires en Espagne républicaine. Un groupe particulièrement dévoué et résilient par Hervé Lemesle - https://maitron.fr/spip.php?article246607
Moskauer Archiv RGASPI. F. 545. Op. 6. Ä. 48, RGASPI 545.6.1525 und 1531
„Wir kämpften mit! Antifaschistische Frauen vieler Nationen berichten aus Spanien“ von Gusti Jirku (1937), S. 91-96) und Foto
Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, „Ehrenbuch des Internationalen Ravensbrück Komitee (IRK)

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